- Lawinen: Der weiße Tod
- Lawinen: Der weiße TodEine Lawine entsteht, indem an Gebirgshängen Schnee, manchmal auch Schutt, Steine oder Eis herabstürzt. Dies geschieht bei hohem Gewicht der Schneedecke nach Neuschnee oder wenn Regen oder Schmelzwasser den Schnee durchtränkt haben. Lawinen können natürlich oder durch den Menschen, beispielsweise Ski- und Snowboardfahrer, ausgelöst werden. Oft genügen auch Schallwellen oder der sprichwörtliche Schneeball, der sich zur Lawine auswächst. Man unterscheidet Lawinen nach ihren stofflichen und mechanischen Eigenschaften, nach der Art ihrer Bewegung, nach der Form der Bahn und nach der Menge ihrer Schneemassen. In Europa gibt es im Jahr durchschnittlich etwa 150 Lawinenopfer, die entweder unter dem Gewicht der Schneemassen begraben werden und ersticken oder durch den Aufprall an Felsen oder Bäumen getötet werden. Direkt nach dem Verschütten durch die Schneemassen sterben bereits 20 % der Verunglückten; nach einer Stunde sinken die Überlebenschancen auf 50 %, nach zwei Stunden werden nur rund 10 % lebendig geborgen. Lawinenopfer brauchen daher sehr schnell Hilfe. Hierfür wurde ein umfangreiches Arsenal an Hilfsmitteln entwickelt.Gefahr in den BergenDas Wort »Lawine« taucht erstmals als »lavina« im 6. Jahrhundert in der Enzyklopädie des spanischen Bischofs Isidor von Sevilla auf. Wahrscheinlich hat es seinen Ursprung in dem lateinischen Wort »labi«, zu Deutsch »gleiten« und »labina«, »die Gleitende«. Die Lawine galt bei den Bergbewohnern jahrhundertelang als feindliches Untier, das von bösen Geistern beseelt war und die todbringende Fracht aus Rache oder Bosheit auslöste. Man glaubte, Lawinen seien teuflische Waffen im Dienste der Mächte der Finsternis. Nur das Läuten der Kirchenglocken sollte Lawinen zum Stillstand bringen.Lawinen in der GeschichteLawinen bedrohen die Menschen, seit sie das Hochgebirge besiedeln oder überqueren. So sollen bereits die Heere Alexanders des Großen auf ihrer Rückkehr aus Indien im Hindukusch von Lawinen überrascht worden sein. Auch Hannibal, der 218 v. Chr. mit 38 000 Mann, 8 000 Reitern und 37 Elefanten die Alpen überquerte, um gegen Rom zu ziehen, soll die Hälfte seiner Truppen durch Lawinen verloren haben.Lawinen spielten auch im Krieg eine bedeutende Rolle: Sie waren zugleich gefährliche Gegner und heimtückische Waffen. Im Ersten Weltkrieg beispielsweise fielen in drei Wintern etwa 60 000 Mann Lawinen zum Opfer. Allein im Dezember 1916 sollen an zwei Tagen 6 000 österreichische Soldaten durch Lawinenabgänge umgekommen sein. Oftmals wurden Lawinenhänge absichtlich mit Granaten beschossen, worauf sich Millionen Tonnen labilen Schnees in Bewegung setzten und Tausende Soldaten unter sich begruben.Bedeutende LawinenunfälleDie größte Lawinenkatastrophe im 20. Jahrhundert, vielleicht sogar aller Zeiten, wurde am 31. 5. 1970 durch ein Erdbeben verursacht, das am 6 768 Meter hohen Berg Nevado Huascarán (etwa 400 Kilometer nördlich der peruanischen Hauptstadt Lima) eine gewaltige Eislawine auslöste. Innerhalb kürzester Zeit rasten viele Millionen Kubikmeter Eis- und Schneemassen 4 000 Meter in die Tiefe, überrollten eine Gegensteigung von 100 Metern und verwandelten die dahinter gelegene Bergstadt Yungay, die als absolut sicher galt, in eine einzige Eis- und Geröllwüste. Die Lawine hatte solch eine Schubkraft, dass sie sich noch viele Kilometer weiter durch die bewohnten Bergtäler wälzte und vorübergehend Flüsse aufstaute, deren Flutwellen dann mit ungeheurer Wucht noch 150 Kilometer entfernt das flache Land überschwemmten. Nach unterschiedlichen Schätzungen kamen dabei 20 000 bis über 60 000 Menschen ums Leben.Sehr viel häufiger als eine solche Eislawine kommt die Schneelawine vor. In einigen Wintern gab es in den Hochgebirgsregionen der Erde ganze Lawinenserien. So wurden im Schweizer Kanton Wallis am 24. Dezember 1969 drei Männer durch plötzlich abrutschende Schneemassen getötet, als sie an einem tief verschneiten Hang eine Piste für ein Gästerennen präparieren wollten. Das war der Auftakt zu einer ganzen Serie von Lawinenkatastrophen im Winter 1969/70. Von den Alpen bis zum Elbrusgebirge im Iran donnerten verheerende Lawinen zu Tal. In den ersten dreieinhalb Monaten des Jahres 1970 kamen in den Alpen über 200 Menschen durch Lawinen ums Leben. Im Val d»Isère in Frankreich hatte beispielsweise eine Lawine 39 junge Sportler begraben, Mitte April verwüstete ein durch schmelzenden Schnee ausgelöster Erdrutsch, bei dem mehrere hunderttausend Tonnen Schutt zu Tal stürzten, die Lungenheilanstalt auf dem Plateau d«Assy (Frankreich), wo sich 72 Menschen aufgehalten hatten, und bei einem schweren Lawinenabgang im schweizerischen Reckingen nahe der italienischen Grenze wurden 30 Menschen getötet.Eine weitere schwere Lawinenserie gab es im Februar 1999, als Gargellen und Galtür in Österreich, Evolène in der Schweiz, Chamonix in Frankreich und das italienische Aostatal von Lawinen heimgesucht wurden; über 70 Menschen kamen zu Tode, insgesamt 18 000 Urlauber waren zeitweise eingeschlossen. In Galtür hatten sich die Schneemassen eine Bahn gesucht, die seit Menschengedenken noch nie von einer Lawine benutzt worden war. Bei Galtür kam es auch im Winter 1999/2000 erneut zu einem schweren Lawinenunglück, allerdings zu keiner Lawinenserie — auch dieses Unglück war von unvorsichtigen Touristen ausgelöst worden.Entstehung von LawinenDamit sich eine Lawine bilden kann, müssen verschiedene Faktoren zusammenwirken. Neben starkem Schneefall spielen auch die Windverhältnisse und die Geländeform eine Rolle.Gefahr durch NeuschneeDie wichtigste Ursache für eine Lawine ist Neuschnee, da jeder neue Schneefall zu einer Belastung des bereits liegenden Altschnees führt. Das Gewicht des Neuschnees ist neben der absoluten Schneemenge von seiner Dichte abhängig, die zwischen 30 und 250 Kilogramm pro Kubikmeter liegt. So können bei starkem Schneefall von einem halben Meter auf einem Hang von einem Hektar etwa 500 Tonnen Schnee liegen. Sobald sich der Neuschnee verfestigt hat, wird sein Gewicht von der Altschneedecke getragen. Bei starken Schneefällen kann diese Übergangszeit mehrere Tage umfassen. Um die Lawinengefahr zu beurteilen, werden sämtliche Mengen Neuschnee aus einer Niederschlagsperiode addiert, bis eine Schneefallunterbrechung von mindestens einem Tag erfolgt. Danach ergeben 30 cm Neuschnee keine nennenswerte Zunahme der Lawinengefahr, zwischen 30 und 50 cm besteht eine örtliche Gefahr für Tourengebiete, bei 50—80 cm eine erhebliche Gefahr auch für tiefer gelegene Gebiete und akute Lawinengefahr besteht bei 80—120 cm Neuschnee. Die größte Gefahr besteht, wenn über 120 cm Neuschnee gefallen ist. Kleine Lawinen transportieren zwischen 10 und 200 Kubikmeter Schnee, mittlere zwischen 200 und 20 000, und sehr große können bis zu 200 000 Kubikmeter Schnee zu Tal befördern.Einfluss von Wind und GeländeformDer Wind trägt ebenfalls zur Lawinenbildung bei: Mehr als 50 % aller Lawinen werden durch den Wind verursacht. Ist Neuschnee gefallen, erfasst der Wind den Lockerschnee und bläst ihn über Hänge, Ebenen und Geländekämme. Dadurch entstehen am Grat eines Berges gefährliche Ablagerungen, Schneewechten, die das Potenzial zukünftiger Lawinen bilden.Wichtig für die Bildung von Lawinen sind auch das Gelände und vor allem die Hangneigung: Hänge mit einer Neigung von weniger als 22 Grad sind meist lawinensicher; das gilt auch für Bergflanken mit dichtem Wald und hochstämmigen Bäumen. Gefährlich sind dagegen Hänge mit einem Neigungswinkel von über 25 Grad und 30 cm Neuschnee. An Wänden mit über 50 bis 60 Grad nimmt die Lawinengefahr dann wieder ab, da sich dort nur wenig Schnee ablagern kann. Die Hauptgefahrenzone liegt also zwischen 22 und 50 Grad Hangneigung.Lawine ist nicht gleich LawineDie Lawinenkundler unterteilen die Bahn einer Lawine in drei Abschnitte: den Abriss (der Ort, von dem sich die Schnee- oder Eismassen lösen), die Sturzbahn (der Weg, den die Lawine auf ihrem Sturz in die Tiefe nimmt) und den Lawinenkegel (das Gebiet, das die Lawine nach ihrem Abgang bedeckt und das die Rettungsmannschaften nach einer Katastrophe durchsuchen müssen). Man bezeichnet Lawinen nach ihren stofflichen und mechanischen Eigenschaften (etwa ob der Schnee locker oder fest, trocken oder nass ist), nach der Art ihrer Bewegung (beispielsweise gleitend oder ruckartig), nach der Form der Bahn, die sie nimmt (zum Beispiel schmal oder wolkenförmig) und nach der Menge ihrer Schneemassen. Die wichtigsten Lawinenarten sind die Feuchtschnee-, Schneebrett-, Lockerschnee-, Trockenschnee- und Eislawinen.FeuchtschneelawineDie am häufigsten auftretende Lawinenart ist die Feuchtschneelawine. Sie entsteht bei Tauwetter, wenn die Schneedecke nass wird. Dies kann nach Neuschneefällen mit Erwärmung der Fall sein, nach Schneeregen und Wetterstürzen vor allem im Spätwinter. Gefährlich wird es, wenn feuchter Neuschnee auf verharschtem Altschnee liegt. Der Altschnee saugt das Wasser von unten an und schafft so eine gefährliche »Schmierschicht« als Gleitbahn. Es genügt dann schon eine kleine Erschütterung wie der Tritt eines Bergsteigers oder einer Gämse oder auch nur die Einwirkung einer Schallwelle, um die gesamte Masse in Bewegung zu setzen. Sie bricht daraufhin punktförmig ab und fährt in Zungen-, Birnen- oder Spitzkeilform zu Tal. Bei der Talfahrt wühlen Feuchtschneelawinen den Boden auf, reißen Erdklumpen und große Felsen mit. Aus diesem Gemisch formen sich brettharte Klumpen, welche die Opfer verschütten. Selbst wenn das Opfer nur 20 oder 30 cm unter der Oberfläche liegt, sind die Überlebenschancen äußerst gering, da der kompakte Schnee jede Bewegung verhindert und das Atmen unmöglich macht. Die herabgestürzten Massen solcher Feuchtschneelawinen sind oft noch bis in den Sommer hinein zu erkennen, da das Erde-Steine-Schneegemisch nur langsam abtaut.SchneebrettlawineDie Schneebrettlawine erkennt man an ihrem scharfkantigen linearen Anriss. Sie entsteht, wenn sich Schneetafeln plötzlich ablösen und beim Abgleiten in Schollen zerfallen. Voraussetzung für ihre Entstehung ist eine gewisse Festigkeit im Schneeverband, sodass sich Spannungen großflächig übertragen können. Der Schnee kann trocken bis nass sein. Die Schneebrettlawine gilt als die gefährlichste aller Lawinenarten, denn die Kräfte, die sie verursachen, können tage- und wochenlang konserviert werden. Da die Schneebretter für den Laien kaum erkennbar sind, ist erklärlich, dass etwa 90 % aller Lawinenunglücke, bei denen Menschen zu Schaden kommen, durch Schneebrettlawinen passieren. Oft lösen Tourengeher und Snowboardfahrer abseits gesicherter Pisten solche Schneebretter aus und werden dann von ihnen in die Tiefe gerissen.LockerschneelawineDie Lockerschneelawine hat einen punktförmigen Anriss; auch hier kann der Schnee nass oder trocken sein. Beim Abgang der Lawine können eine oder alle Schichten des Schneegefüges erfasst werden. Dabei nimmt die Lawine an Breite und Tiefe zu, sodass die typische Birnenform entsteht. Am häufigsten sind Lockerschneelawinen nach Neuschneefällen oder in der wärmeren Jahreszeit, wenn sich das innere Gefüge der Schneedecke durch Sonneneinstrahlung auflöst.TrockenschneelawineDie Voraussetzung für die Entstehung einer Trockenschneelawine ist trockener, pulverförmiger Schnee, der auf einer gefrorenen glatten Unterlage liegt. Eine solche Lawine tritt vor allem im Früh- und Hochwinter nach Frost und Neuschnee auf, ist allerdings relativ selten. Unter gewaltiger Staubentwicklung stürzt dann ein Schnee-Luft-Gemisch über Wände und Steilhänge in ungeheurem Tempo herab. Die Geschwindigkeit kann bis zu 380 Kilometer pro Stunde betragen. Begleitet wird die Trockenschneelawine meist von orkanartigen Luftwirbeln. Es entsteht eine gewaltige Druckwelle, die ganze Häuser wegfegen kann. Die Menschen, die von einer Trockenschneelawine überrascht werden, sterben meist daran, dass ihnen das feine Schnee-Luft-Gemisch in die Lungen gepresst wird und sie ersticken.Die Eislawine ist in Gletschergebieten — besonders bei Hängegletschern — während des ganzen Jahres gefährlich. Sie tritt weitgehend unabhängig von kürzeren Temperaturschwankungen auf. Mit ihr ist vor allem bei länger andauernder Wärme im Sommer verstärkt zu rechnen. Sie kommt jedoch relativ selten vor.Lawinen gehören im Hochgebirge zu den üblichen und unvermeidlichen Vorkommnissen, und in Jahrhunderten haben die Bergbewohner gelernt, sich vor Lawinen zu schützen beziehungsweise die Folgen eines Lawinenabgangs zu minimieren. Erst in neuerer Zeit häufen sich die Lawinenabgänge, bei denen Menschen in großer Zahl zu Tode kommen. Dies liegt einerseits am Leichtsinn der ortsunkundigen Touristen, andererseits an der zunehmenden Bebauung und touristischen Nutzung von früher wegen Lawinengefahr bewusst freigehaltenen Flächen.Örtlich lässt sich die Gefahr verheerender Wirkungen einer Lawine durch deren künstliche Auslösung verringern, etwa durch Beschießen der Schneemassen. Den besten natürlichen Lawinenschutz bilden aber geschlossene Waldbestände im Anrissgebiet einer Lawine — der Bannwald: Die Stämme halten den Schnee fest und sorgen dafür, dass er nicht so leicht ins Rutschen kommt, falls er trotz der Baumkronen bis zum Boden gelangt.Doch der Mensch hat sein Teil getan, die Lawinengefahr zu erhöhen: Der Bannwald wurde durch die Luftverschmutzung geschädigt, und manche Schutzzone wurde dem ungehemmten Drang der Skifahrer nach noch mehr und noch höheren Skipisten geopfert. Um dem wachsenden Tourismus gerecht zu werden, wurden zudem immer mehr Hotels und Feriensiedlungen in Zonen errichtet, die nicht als lawinensicher gelten können. Die Folge: Die Schutzwirkung des Bannwaldes nahm und nimmt noch immer an vielen Stellen ab. Mittlerweile erkennen auch die Tourismusverantwortlichen die Sünden der Vergangenheit. Nun müssen teure und aufwendig errichtete Lawinenverbauungen aus Holz, Stahl und Beton als Stützkonstruktionen in der Anrisszone die Funktion der früheren Bannwälder übernehmen, denn die Aufforstungsmaßnahmen greifen nur langfristig und sind ständig durch Wildverbiss gefährdet. In den Talregionen versucht man, menschliche Siedlungen und Straßen durch Schneenetze und mehr noch durch Lawinen-Verbauungen zu sichern. Solche tunnelartigen Lawinengalerien begleiten den Autofahrer in den Bergen oft kilometerweit. Zusätzlich sollen Lenkmauern und Bremsverbauungen mit Erd- und Bremshöckern in der Sturzbahn die Gewalt der unbändige Schneemassen brechen oder zumindest in gefahrlose Bahnen lenken.Tod in der LawineIn Europa gibt es jährlich im Durchschnitt etwa 150 Lawinenopfer. In den meisten Fällen spielt der Leichtsinn eine Rolle, wenn etwa Warnungen missachtet oder Skifahrten im Tiefschnee unternommen werden. Etwa 20 % der Opfer werden durch den Aufprall an Felsen oder Bäumen getötet. Die meisten allerdings sterben, weil sie unter den Schneemassen begraben werden und nach kurzer Zeit ersticken.Verhalten bei Gefahr und in der LawineÜber die aktuelle Lawinengefahr kann man sich bei den Lawinenwarndiensten informieren, die in allen Skigebieten aktiv sind. Um die Gefahr, in eine Lawine zu geraten, zu verringern, sollten möglichst keine Alleingänge im Tiefschnee außerhalb der markierten Pisten unternommen und die Lawinenwarntafeln unbedingt beachtet werden. Falls man doch von einer Lawine überrascht wird, ist zunächst die »Schussflucht« zu versuchen, also den Hang im Schuss hinunter zu rasen. Wenn dies nicht mehr möglich ist, Skier/Snowboard und Stöcke abwerfen und Schwimmbewegungen mit dem Lawinenstrom machen. Dadurch besteht die Möglichkeit, sich an der Oberfläche zu halten und an den Lawinenrand zu gelangen. Kurz bevor die Lawine zum Stillstand kommt, sollte man eine Kauerstellung einnehmen, Unterarme und Fäuste mit Abstand vor das Gesicht halten, um einen möglichst großen Atemraum vor Mund und Nase freizuhalten. Bei Selbstbefreiungsversuchen gilt es, mit den Kraftreserven hauszuhalten, wenn sie nicht erfolgreich sind, auf jeden Fall Ruhe bewahren. Ständige körperliche und psychische Bereitschaft kann eine Schockwirkung verhindern.Schnelle Hilfe bei VerschüttungenDer Kampf um das Leben von Lawinenopfern ist daher immer ein Wettlauf mit der Zeit: Direkt nach dem Verschütten durch die Schneemassen sterben 20 % der Verunglückten; nach einer Stunde sinken die Überlebenschancen auf 50 %, und nach zwei Stunden werden nur rund 10 % lebendig geborgen. Verschüttete brauchen also sehr schnelle Hilfe. Selbst wenn der Lawinensuchtrupp gleich zur Stelle ist, können die Opfer aber frühestens nach drei bis fünf Minuten mithilfe von Lawinensonden, meist etwa drei Meter lange zusammensteckbare Metallstäbe, geortet werden. Weitere 10 bis 15 Minuten dauert es, bis die Verschütteten mit einer Schaufel aus einem Meter Tiefe ausgegraben sind. Meistens befinden sich die Verunglückten aber wesentlich tiefer unter den Schneemassen begraben. Rettungsmaßnahmen mit bloßen Händen scheitern oft, denn der Schnee einer Lawine ist hoch verdichtet und hart wie Beton. Zur Ortung von Lawinenopfern haben sich elektronische Hilfsgeräte, »Lawinenpiepser«, bewährt. Sie verraten den mit entsprechenden Empfängern ausgerüsteten Rettungstrupps, wo der Verschüttete zu suchen ist. Diese Minisender senden nach dem Einschalten (sinnvollerweise vor Beginn einer Skitour) ununterbrochen Signale aus. Sie haben eine Reichweite von 20 Metern und können auch Signale von anderen empfangen. So können Skitourengeher auch verschütteten Bergkameraden zu Hilfe eilen und versuchen, sie auszugraben — vorausgesetzt, die obligatorische Schneeschaufel befindet sich im Gepäck.Als am schnellsten und effektivsten gelten bei einer Rettungsaktion Lawinenhunde. Wenn ein Lawinenhund richtig geführt wird, kann er die Witterung eines Verschütteten schon aus 30 Metern Entfernung aufnehmen und findet im trockenen Schnee selbst dann einen Menschen, wenn er fünf Meter unter der Schneedecke liegt. Ein guter Lawinenhund sucht ein Areal von einem Hektar in 20 bis 30 Minuten ab, während ein Trupp von 20 Mann, ausgerüstet mit Lawinensonden, für dieselbe Fläche 20 Stunden benötigt. In letzter Zeit wurden auch vermehrt technische Lawinenverschütteten-Suchgeräte (LVS) eingesetzt.Um das Verschütten in große Tiefe zu verhindern oder zumindest zu erschweren und damit die Chancen auf eine rasche Bergung zu vergrößern, wurde der »Lawinen-Airbag« oder »Lawinenballon« entwickelt. Dieses Gerät wird wie ein Rucksack umgeschnallt und lässt sich mit einer Reißleine im Notfall aktivieren. Dabei strömt in wenigen Sekunden ein Stickstoff-Luft-Gemisch in zwei im Rucksack integrierte seitliche Kunststoffballons. Dadurch erhält der Skitourengeher einen hohen Auftrieb und kann im günstigsten Fall auf der Lawine »schwimmen«. Ein neues Hilfsgerät ist die »Lawinenlunge« (Ava-lung): eine Netzstoffweste mit schnorchelähnlichem Mundstück, mit der man dem Schnee Sauerstoff entziehen kann.Doch allem technischen Aufwand zum Trotz: Am sichersten ist es, der Lawinengefahr von vornherein auszuweichen und Skitouren nur mit der gebotenen Vorsicht zu unternehmen.Walter Ammann u.a.: Lawinen Basel 1997.Werner Munter: 3 × 3 Lawinen. Entscheiden in kritischen Situationen. Garmisch-Partenkirchen 21999.
Universal-Lexikon. 2012.